Flexibel und nachhaltig in ländlichen Regionen unterwegs sein, das ist noch lange keine Selbstverständlichkeit. Zu weit liegen Einkaufsmöglichkeiten oft vom Wohnort entfernt, zu selten fahren Busse in die passende Richtung. Entsprechend hoch ist die Anzahl privater Autos auf den Straßen. Über 90 Prozent der Haushalte besitzen in den ländlichen und dörflichen Regionen mindestens ein Auto. Das übersteigt den Bundesdurchschnitt von 77 Prozent deutlich.
Der öffentliche Verkehr spielt hingegen eine untergeordnete Rolle, er deckt nur fünf Prozent des Verkehrsaufkommens. 70 Prozent der Fahrten legen die Personen selbst oder als Beifahrer*in im Auto zurück. Das wirkt sich unmittelbar auf die CO2-Ausstöße aus. Vor allem in den dörflichen Regionen werden pro Tag und Kopf 6,3 Kilogramm CO2 ausgestoßen – das sind 60 Prozent mehr als in Großstädten, Metropolen und den darum liegenden Städten.
Auch ich komme aus einer sehr ländlichen Region und habe bisher kaum hinterfragt, warum wir alle mit 17 einen Führerschein und viele mit 18 ein eigenes Auto hatten. Ohne kam und kommt man dort bis heute schlichtweg schlecht voran. Doch wie lässt sich das in absehbarer Zeit ändern?
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat sechs Pilotprojekte begleitet und analysiert, die einen Wandel in die ländliche Mobilität bringen. Aus den Erkenntnissen entwickelten die Wissenschaftler*innen den Handlungsleitfaden „Kooperative Mobilitätskonzepte im Ländlichen Raum“. Er zeigt Best Practices für die Mobilitätswende auf dem Land und soll zur Nachahmung anregen. Spannende Lektüre mit einem zentralen Ergebnis: Die Menschen vor Ort wollen sich beteiligen.
Mobilitätswende – Was heißt das genau?
Die Mobilitätswende ist ein wichtiger Teil der Verkehrswende, also des Umstiegs unserer Gesellschaft auf umweltverträgliche Fortbewegungsmittel. Vor allem privater Autoverkehr soll vermieden und auf andere Verkehrsmittel verlagert werden. Ansätze sind zum Beispiel, bisher notwendige Fahrten, z. B. zur Arztpraxis, zur Arbeit oder zum Supermarkt, durch eine bessere lokale Versorgung auf dem Land oder mehr Homeoffice für Pendler*innen zu vermeiden. So könnten nicht nur die Treibhausgasemissionen pro Kopf, sondern auch die Zahlen der Staus und Unfälle gesenkt werden.
Doch dafür braucht es einen klaren Wertewandel: Das Auto ist dann nicht länger ein alleiniges Mittel der Freiheit und Unabhängigkeit, sondern vielmehr ein gemeinschaftliches Verkehrsmittel. Gleichzeitig kommt dem sogenannten Umweltverbund eine größere Rolle zu, also dem Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr. Letztlich führt die Mobilitätswende damit nicht zu weniger Mobilität, sondern zu einer anderen Qualität sowie zu weniger Verkehr auf den Straßen. Laut dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) kann so ein Mobilitätsrahmen entstehen, in dem immer mehr Menschen aus dem eigenen Auto aus- und auf andere Verkehrsmittel umsteigen.
Passgenaue Mobilitätskonzepte durch Bürger*innen-Beteiligung
Die im Handlungsleitfaden beschriebenen Projekte beschäftigen sich u. a. mit Carsharing, Elektromobilität und dem Einsatz von Lastenrädern. Alle zeigen, dass die Mobilitätswende auch veränderte Anforderungen der Gesellschaft und Wirtschaft an die Mobilität bedeutet.
Neue Mobilitätskonzepte müssen daher viele Faktoren berücksichtigen, innovativ sein und individuell funktionieren. Sie müssen einfach „passen“: Für die Bedürfnisse, Wünsche und Herausforderungen der auf dem Land lebenden Menschen. Diese zu erfragen und einzubeziehen ist elementar. Weitere Erfolgsfaktoren sind laut den Autor*innen die Kooperation und Verknüpfung unterschiedlicher Organisationsformen und eine Zusammenarbeit über die Grenzen von Kommunen, Kreisen und Systemen hinweg.
Eines der betrachteten Pilotprojekte heißt „Geht‘s noch (besser)? – alternativ mobil in Renningen“. Ziel des Projekts ist, innovative Mobilitätskonzepte gemeinsam mit den Bürger*innen von Renningen, einer Kleinstadt mit ca. 18.000 Einwohner*innen in Baden-Württemberg, zu entwickeln. Dafür werden bestehende Angebote, wie z. B. ein Carsharing-Angebot, betrachtet und Verbesserungspotenziale identifiziert.
Die Idee des Projektteams ist u. a. Beteiligte aus Verwaltung, Ehrenamt und Wirtschaft zu vernetzen. Indem alle von Beginn an mitgenommen werden, sollen neue Kompetenzen aufgebaut und akzeptierte Alternativen zum eigenen Auto geschaffen werden. Denn: „Nur durch eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung kann eine Mobilitätswende gelingen.“ Damit kann auch die eingangs gestellte Frage bejaht werden, denn gut durchdachtes Carsharing funktioniert auch in ländlichen Regionen.
Die Wichtigkeit von Bürger*innen-Beteiligung zeigt sich auch in unseren diversen Mobilitätsprojekten. Der Wandel hin zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Mobilität braucht Zeit, engagierte Akteur*innen vor Ort sowie eine ehrliche und transparente Kommunikation. Wir von Lots* unterstützen Sie gern dabei – sprechen Sie uns an!