Vor einigen Jahren haben wir das Wort Auszubildende gelernt. Wir hatten vorher den Lehrling, dafür existiert gar keine weibliche Form: Die Lehrlingin gibt es nicht. An Auszubildende haben wir uns gewöhnt. Sprachliche Veränderungsprozesse sind nie Hauruck-Aktionen. Sprache entwickelt sich langsam.
„Wir werden am Ende feststellen, dass inklusive und geschlechtergerechte Sprache viel natürlicher klingt, als es vielen momentan vielleicht vorkommt”, sagt Lars Hertrampf, Pressesprecher der Stadtwerke Lübeck. „Bei den Stadtwerken Lübeck haben wir uns schon immer mit den Themen Gleichstellung und Chancengerechtigkeit auseinandergesetzt. Da war es naheliegend, den Blick weiter zu öffnen und das Thema inklusive Sprache anzugehen“, erzählt Hertrampf.
Das kommunale Unternehmen hat sich Ende 2020 dazu entschlossen, die Möglichkeiten von inklusiver Sprache durch eine kleine Arbeitsgruppe auszuloten und prüfen zu lassen. Im Juni 2021 wurde der fertige „Leitfaden für eine inklusive Sprache“ von der Unternehmensgruppe verabschiedet. Hertrampf, der zugleich die Rolle des Projektleiters der Arbeitsgruppe innehat, macht die Komplexität des Themas deutlich: „Unsere Erfahrung zeigt, dass das Wissen um geschlechtergerechte und inklusive Sprache erst aufgebaut werden muss. Dabei gehen wir aber keineswegs dogmatisch vor. Wir bemühen uns, alle Mitarbeitenden ohne Zwang bei ihrem individuellen Wissensstand abzuholen und zu unterstützen.“
Inklusive Sprache mit Gender-Doppelpunkt
Entschieden haben sich die Stadtwerke Lübeck – aus einem inklusiven Gesichtspunkt – für den Gender:Doppelpunkt als Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und -identitäten. Der Doppelpunkt falle beim Vorlesen weniger auf als das Gendersternchen, wenn es beispielsweise um barrierefreie Websites gehe. Zudem wird er neben geschlechtsneutralen Formulierungen bereits seit Jahreswechsel von der Hansestadt verwendet.
Der Leitfaden ist dabei weit mehr als eine Empfehlung. Er gilt verbindlich in der internen und externen Kommunikation. Die Stadtwerke Lübeck legen dabei nicht nur Wert auf die klassischen Plattformen, die bei der Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing angesiedelt sind, sondern wollen alle Unternehmensbereiche sensibilisieren, ihre Prozesse, interne Formulare zu überprüfen und anzupassen.
Alles eine Frage der Haltung
Auch beim Sprechen achtet das kommunale Unternehmen darauf, sich inklusiv mitzuteilen. „Das gelingt mir noch nicht immer. Die persönliche Auseinandersetzung mit fairer gesprochener Sprache dauert auch bei mir noch an. Ich achte sehr darauf im professionellen Fokus gendergerecht zu sprechen, erwische mich aber dabei, es auch mal zu vergessen und stolpere dabei immer mal wieder“, so Hertrampf. Er betont, dass gerade die sprachliche Umgewöhnung eben ein Prozess ist.
Laut Hertrampf geht es dabei nicht um das Wissen, welche Wörter man benutzen oder nicht mehr benutzen darf. „Es geht darum: Will ich das? Will ich Barrieren abbauen, mir über Kommunikation und Wertschätzung insgesamt bewusster werden? Sprache ist eine Frage der Haltung. Sie ist ein von allen gestaltetes Instrument der Verständigung und des Ausdrucks.” Mit geschlechtergerechter Sprache können Unternehmen Haltung zeigen: sich gegen Diskriminierung und für Vielfalt positionieren und damit inklusive Arbeitsumgebungen schaffen.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der Juli-Ausgabe 2021 der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK).