In einem Diversitätsprojekt, das ich begleitet habe, entstand die Frage, ob es negativ für den Arbeitgeber ausgelegt wird, wenn er einen Workshop zu Diskriminierung anbietet. Schließlich könnte der Eindruck entstehen, dass sich Diskriminierungsfälle in diesem Unternehmen häufen. Vielleicht ist Ihnen diese Frage in Ihrer Rolle als Kommunikator*in oder Verantwortliche*r für Diversität auch schonmal begegnet?
Diversitätsorientierung ist in vielen kommunalen Unternehmen ein neuer Arbeitsbereich (auch wenn es wahrscheinlich schon längst ein Thema ist). Eine neue, schwer zu greifende Aufgabe, die oftmals mit Berührungsängsten verbunden ist. Denn wenn ich über Vielfalt spreche, komme ich an Benachteiligung und Diskriminierung nicht vorbei. Ist es nötig, oder macht man da „Fässer auf“, die man nicht mehr zukriegt? Wer übernimmt kommunikativ dafür die Verantwortung? Ich empfehle, eine vorausschauende (strategische) interne Kommunikation, die den Veränderungsprozess gut einbettet und die relevante Geschichte erzählt, bevor der Flurfunk das Projekt zerrissen hat.
Diskriminierungsdynamiken von Anfang an mitdenken
Aus Antidiskriminierungssicht sind die kommunikativen Wellen, die das schlagen kann, bekannt und gut beschrieben. Denn das Ansprechen von Vielfalt und Diskriminierung kann auch unerwünschte Effekte haben. Ein Beispiel dafür ist die Täter*innen-Opfer-Umkehr: Mitarbeitende, die sich engagieren, Probleme ansprechen und damit die Arbeitsumgebung eigentlich verbessern, werden zu „Nörgler*innen“, oder „Nestbeschmutzer*innen” gemacht und erleben damit eine Wiederholung oder gar Verschlimmerung ihrer Diskriminierungserfahrung. Wie alle Veränderungsprozesse stößt auch das Thema Diversität auf Widerstände, Irritationen und Bedenken. Die kommunikativen Dynamiken, die dahinterstecken, denke ich in meiner Beratung von Anfang an mit, indem ich ein Netzwerk aufstelle, das das Thema trägt und stabilisiert. Menschen aus diesem Netzwerk stehen idealerweise auch für die interne Kommunikation zur Verfügung.
Als Führungskraft Haltung zeigen
Ein zunehmend wichtiger Aspekt der internen Kommunikation ist es, dass Menschen aus dem Unternehmen Haltung zeigen: sich vor die Belegschaft oder das Team stellen und deutlich machen, für welche Werte sie stehen. Ich bin überzeugt davon, dass Diversitätsprozesse genau so ein Netzwerk brauchen und davon profitieren können.
Im Idealfall gewinnen Sie dabei eine*n Geschäftsführer*in als Sponsor*in und binden sie*ihn in die Kommunikation ein. Das könnte eine Art Schirmherrschaft für ein Projekt oder eine Vielfaltsdimension sein. In der Organisation macht das deutlich, dass es für das Thema Rückendeckung aus der Leitungsebene gibt und stellt Vielfalt in einen Zusammenhang mit den Unternehmenszielen und Werten. Kommunikativ unterstützt und stärkt das den Prozess und gibt Mitarbeitenden die Sicherheit, sich auf die Leitung beziehen zu können. Vielleicht findet solche Kommunikation sogar mit einem eigenen Bezug statt.
Ein Beispiel: Ein Geschäftsführer mit einem Familienmitglied mit Behinderung macht sich für Inklusion im Betrieb stark. Alle wissen, der hat bestimmte Erfahrungen und eine intrinsische Motivation für das Thema. Noch einen Schritt weiter ginge es, sich als Role Model (engl. Vorbild) zu positionieren: z.B. mit Botschaften wie „Ich habe mich ohne Abitur bis zum Geschäftsführer gearbeitet, bei uns zählt also die Motivation und es gibt hier Unterstützung dabei, die Hürden auf dem Weg zu nehmen.“ Das erfordert noch ein Stückchen mehr Mut.
Ein „Tone from the Top“ hat eine starke Wirkung und kann gerade in hierarchisch geprägten Unternehmen wie in der Kommunalwirtschaft Strahlkraft haben. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, das bei Ihrer Leitung anzufragen? Wofür steht Ihre Geschäftsführung mit ihrem Namen?
Diversitätsorientierte Führungskräfte auf allen Ebenen
Der „Tone from the Top“ muss aber nicht nur von der höchsten Stelle kommen. Ich erinnere mich an eine Teamleitung, die als Fazit aus einem Diversitätstraining sinngemäß mitnahm: „Ich möchte in meinem Team keine Diskriminierung dulden und kann nicht davon ausgehen, dass nichts ist, nur weil sich noch niemand beschwert hat. Ich habe zwar ein Gefühl für mein Team, aber was wirklich passiert, wenn ich weg bin oder die Mitarbeitenden mit Kund*innen zu tun haben, weiß ich ja nicht. Deswegen nehme ich das Thema auf die Agenda der nächsten Teambesprechung und zeige, dass man mich auch dafür ansprechen kann.“
Das hat mich sehr gefreut, weil die Führungskraft Verantwortung für das Thema proaktiv annimmt und den ersten Schritt geht, einen Raum zu öffnen. Und wieder eine Botschaft nach dem Motto: Dafür stehe ich in meinem Team mit meinem Namen. Haben Sie schon Führungskräfte für das Thema gewonnen und in die Kommunikation mit eingebunden?
Lippenbekenntnis oder Ally?
Sich hinzustellen und zu bekennen, Vielfalt ist uns wichtig, ist super, aber noch nicht genug. Eine echte Verantwortungsübernahme beginnt da, wo den Worten auch Taten folgen. Diversitätsorientierte und diskriminierungssensible Veränderungen werden kommuniziert und im Verhalten und Miteinander, den Arbeitsabläufen und Strukturen sichtbar.
Aus dem Englischen etabliert sich der Begriff Allyship (engl. Verbündetenschaft) dafür immer weiter in der Unternehmenswelt. Es bedeutet, sich für Menschen einzusetzen, die anders aussehen, andere Erfahrungen machen oder woanders herkommen als man selbst. Ally oder Verbündete*r zu sein, ist eine aktive Aufgabe und erfordert zuerst einmal eine Reflexion der eigenen Position und Privilegien. Es geht darum, solidarisch zu sein und sich für andere stark zu machen, ohne dass man selbst von der Diskriminierungserfahrung betroffen ist. Man hängt sich kein Ally-Schild an die Tür, sondern wird es durchs Tun, z.B. in dem man auf Alltagsdiskriminierung reagiert: „Lieber Kollege, ich finde das nicht zeitgemäß, sondern diskriminierend, wenn du solche Witze machst. Lass das bitte sein.“
Mehr Einfluss, mehr Verantwortung
Wenn Sie in Ihrem Unternehmen Menschen auf allen Ebenen von der Geschäftsführung bis zu den Mitarbeitenden haben, die Haltung zeigen, ist Ihr Diversitätsprozess auf einem guten Weg. Menschen mit mehr Einfluss im Unternehmen sehe ich dabei mehr in der Verantwortung und sichtbarer in der Kommunikation. Das kann zwar negative kommunikative Dynamiken nicht verhindern, aber setzt ihnen ein wirkungsvolles Netzwerk an Unterstützer*innen entgegen.