Psychische Erkrankungen sind immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitigen Einstieg in das Rentenalter. Rund 15 Prozent aller Fehltage gehen auf Erkrankungen der Psyche zurück. Dabei ist die Krankheitsdauer mit durchschnittlich 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Krankheiten mit zwölf Tagen. Betroffen sind sämtliche Altersgruppen. Die Prävention und Förderung psychischer Gesundheit gewinnen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) daher zunehmend an Bedeutung.
Ursachen von Stress erkennen und reduzieren
Laut Birgit Böck-Wohlenberg, Leiterin Projekte & Gesundheitsmanagement bei der Stadtwerke Lübeck Gruppe, sollten Veränderungen von Mitarbeitenden als Warnzeichen ernst genommen werden. „Wenn jemand immer aktiv und zuvorkommend seinen Job macht und plötzlich zwei, drei Wochen lang müde und gereizt ist, sich zurückzieht – es also erste Signale der Veränderung in der Kommunikation und Kooperation gibt, sollten Sie das ansprechen“, so Böck-Wohlenberg. Dabei geht es nicht darum, therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, oder herauszufinden, was eigentlich los ist. Es geht vor allem darum, zu vermitteln: Ich sehe dich, helfe dir und ich biete dir Unterstützung an.”
Stressprävention und die Förderung der psychischen Gesundheit spielen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement der Lübecker Stadtwerke Gruppe eine große Rolle. „Stress zählt zu den größten Belastungen im Berufsalltag. Er wirkt sich allerdings nicht immer negativ aus. Positiver Stress kann auch als Motivation wahrgenommen werden. Schädliche Folgen entstehen erst, wenn die Anforderungen einer Position das Leistungspotential von Mitarbeitenden dauerhaft übersteigen. Aber nicht nur ein hohes Arbeitspensum löst Stress aus, auch Langeweile und Unterforderung wirken belastend“, erzählt Böck-Wohlenberg.
Prävention im Unternehmen zahlt sich aus
Seit 2013 ist jedes Unternehmen verpflichtet, die Arbeitsbedingungen auf besondere psychische Belastungen zu überprüfen. Hierzu stehen verschiedene Formate bereit, wie Fragebögen, Beobachtungen, Interviews oder Workshops. Stellen sich Arbeitsplätze als belastend heraus, müssen Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Noch besser ist es natürlich, diese bereits präventiv einzuführen und nicht erst, wenn zwingender Handlungsbedarf besteht.
„Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen hat dabei nichts mit der aktuellen, persönlichen Befindlichkeit einer Person zu tun – so ein häufiges Missverständnis. Viele befürchten, dass damit in der Psyche der Mitarbeitenden herumgebohrt wird. Das ist aber nicht der Fall. Es soll nur das vertieft werden, was normalerweise auch bei Mitarbeiterbefragungen abgefragt wird. Allerdings unter dem Gesichtspunkt psychischer Gesundheit. Für uns ist das ein wichtiges Werkzeug zur Prävention“, so Böck-Wohlenberg.
Frustration durch Unterbrechungen
Eines der häufigsten Themen bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist der Umgang mit Unterbrechungen am Arbeitsplatz. Unterbrochen zu werden, bedeutet häufig, dass man nicht gleich wieder anfangen kann, wo man aufgehört hat, sondern ein Stück früher ansetzen muss. Wenn man zehnmal unterbrochen wird, dauert es entsprechend länger und die Fehlerhäufigkeit steigt.
Störungen und Arbeitsunterbrechungen stellen Arbeitnehmer*innen immer wieder vor psychische Herausforderungen. In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass Zeitdruck und Frustration zunehmen, wenn es zu Unterbrechungen während der Aufgabenerfüllung gekommen ist.
Im Arbeitsalltag können bereits kleine Veränderungen eine große Wirkung haben. Als Beispiel: Man kann darüber nachdenken, wie man Kolleg*innen verdeutlicht, dass man eine Stunde nicht gestört werden möchte – etwa indem man sich feste Zeiten im Kalender blockiert und alle Kommunikationskanäle stumm schaltet. Auch Führungskräfte müssen dann akzeptieren, dass der*die Mitarbeitende eine Stunde Projektarbeit in seinem Kalender stehen hat und ungestört arbeiten möchte.
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Die Stadtwerke Lübeck Gruppe hat als nachhaltiges Gesundheitstraining für besseren Umgang mit Stress erstmals eine „Lernreise Psychische Fitness“ gestartet. 10 Mitarbeitende haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht, über ein halbes Jahr ihre mentale Fitness zu trainieren. Jede*r Teilnehmer*in erfährt in einem ausführlichen Test und einem persönlichen Auswertungsgespräch mit einem Coach, wo die eigenen Stärken liegen und welche Bereiche noch trainiert werden können, um besser für Stressbelastungen gewappnet zu sein.
„Verhaltensänderungen lassen sich nicht auf Knopfdruck herbeiführen und brauchen Zeit. Daher ist diese Lernreise als Prozess angelegt, der es den Kolleg*innen erleichtern soll, erworbenes Wissen im Alltag umzusetzen,“ berichtet Birgit Böck-Wohlenberg. Die Reise besteht aus Selbstlerntrainings mit individuellen Schwerpunktthemen, persönlichen Gesprächen mit einem Gesundheitscoach und mehreren virtuellen Gruppentreffen, um sich mit anderen „Mitreisenden“ auszutauschen, neue Impulse und frische Motivation zu bekommen.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der Juli-Ausgabe 2022 der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK).
Headerbild: Birgit Böck-Wohlenberg, Leiterin Projekte & Gesundheitsmanagement bei der Stadtwerke Lübeck Gruppe