Ich nehme gerade an etwas Unfassbarem teil, das das (Berufs)Leben unglaublich vieler Menschen nachhaltig und langfristig beeinflusst. Ich war überrascht, dass die Veränderungen alle gleichermaßen und sofort betrafen. Und noch nie hat Veränderung mit einem derart lauten Knall meine Arbeitswelt berührt und mich als Führungskraft zur Weiterentwicklung gezwungen.
Virtuelle Teams, Führen auf Distanz: Das Lots* Team war schon vor Corona auf zwei Standorte verteilt und mit dem Anspruch wir wollen alle mobil arbeiten vertraut. Unsere Büros in Leipzig und Berlin verfügten bereits über die notwendige technische Ausstattung. Wir waren also nicht gänzlich unvorbereitet.
Und doch befinde ich mich noch immer in einem kontinuierlichen Lernprozess hinsichtlich digitaler Führungskompetenz. Was digitale Führung für uns ausmacht, wie wir bei Lots* damit umgehen und welche Methoden sich bewährt haben, lesen Sie in diesem Erfahrungsbericht.
Als es im Frühjahr hieß, ab Morgen arbeiten wir alle von zuhause, lautete die ungläubige Antwort aus meinem Team “Echt jetzt!?”. Als es nach dem Lockdown hieß, ab Morgen arbeiten wir wieder im Büro, fragte die Mehrheit meiner Mitarbeitenden ebenfalls “Echt jetzt!?”.
Home-Office, verkürzte Arbeitszeit: Zu Beginn unserer digitalen Zusammenarbeit stand die mit einiger Sorge gestellte Frage im Raum “Wie soll diese neue Art des Miteinanders funktionieren?”.
Einige Monate später wird die aufgezwungene Verringerung der Arbeitszeit und das Arbeiten am heimischen Schreibtisch von einem Teil der Mitarbeiter*innen als angenehm empfunden und es besteht der Wunsch, in dieser Form weiterzuarbeiten. Zwei Ausnahmesituationen, die für mich und meine Kolleg*innen aus der Geschäftsführung schnell zur Zerreißprobe hätten werden können.
Aus meiner Sicht gibt es drei elementare Faktoren für erfolgreiches Führen auf Distanz: Gute Kommunikation, klare Regeln und Vertrauen.
Regelmäßiger Austausch, zu Projekten, Arbeitsaufgaben und unbedingt auch zum eigenen Wohlbefinden, sind essentiell. Wir haben deshalb ein wöchentliches Team-Meeting eingeführt und einen täglichen kurzen Team-Treff als wertschätzendes “Hallo” am Morgen.
Eine ehrliche, offene und regelmäßige Kommunikation über die aktuelle Situation und die Entwicklung des Unternehmens inkl. Zahlen verringert Unsicherheiten und Ängste im Team. Nebenbei beugt es auch Gerüchten vor.
Führen auf Distanz erfordert einen intensiven Austausch – in regelmäßigen Meetings zwischen mir und dem Team, aber auch in 1:1 Zeitfenstern zwischen mir und jeder*jedem einzelnen Mitarbeitenden.
Gute Kommunikation zu initiieren, einzufordern und kontinuierlich zu leben, ist Führungsaufgabe.
Bei Lots* haben wir klare Regeln und Formate zur digitalen Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Team ausgewählt und eingeführt.
Wir hinterfragen unsere Regeln und Formate in regelmäßigen Abständen und nehmen Anpassungen vor. Dabei helfen uns drei Fragen: Was darf bleiben, was muss gehen, was darf kommen.
Einhalten von Hygienemaßnahmen, Anwesenheit im Home-Office, Arbeitszeit im Büro: Als Führungskraft kommuniziere ich über mein eigenes Verhalten, wie verbindlich aufgestellte Regeln sind.
Kann ich meinen Mitarbeiter*innen trauen, vielleicht missbrauchen sie die Freiheitsgrade? Ehrlich gesagt, diese Gedanken wirken sich negativ auf das Miteinander aus. Meine Erfahrung ist: Misstrauen vergiftet eine digitale Beziehung.
Ich bin dazu übergegangen, mich an den Ergebnissen zu orientieren, die meine Mitarbeiter*innen bringen. Fallen Ergebnisse nicht so aus, wie wir das besprochen hatten, fragen ich als erstes nach den Hintergründen.
Digitale Führungskompetenz heißt bei Lots*, die Mitarbeitenden bestimmen den Weg selbst über den sie zum Ergebnis kommen.
Um Ergebnisse messbar zu machen, definiere ich mit jedem Mitarbeitenden entsprechende Kennzahlen, an den Fortschritte, Aufwände und Ergebnisse festgemacht werden.
Durch das Coronavirus haben sich Teamarbeit und -führung bei Lots* stark verändert. Alle im Team erfahren, dass mobiles Arbeiten viele Vorteile hat. Gleichzeitig sehe ich, dass ein professioneller Rahmen benötigt wird, damit Themen nicht unter gehen oder sich verselbständigen. Um dem entgegen zu wirken, haben wir im Team Maßnahmen erarbeitet:
Um unsere Kaffeeküche zu beleben, machen wir reduzierte Anwesenheiten im Büro möglich.
Im Büro sind 50% der Arbeitsplätze wieder verfügbar. Im Kalender tragen die Mitarbeiter*innen ihre Anwesenheit ein. Mindestabstand und Hygieneregeln sind dadurch umsetzbar.
Der monatliche Teamtag wird zum erweiterten Raum, um sich gemeinsam mit Fragen zu Veränderungsprozessen, Unternehmensentwicklung und Strategie zu beschäftigen.
Das Lots* Team war schon vor Corona auf zwei Standorte verteilt und mit dem Anspruch wir wollen alle mobil arbeiten vertraut. Und doch hat mich manches positiv überrascht:
Mobiles Arbeiten funktioniert, macht Spaß und kann produktiv sein.
Viele Geschäftstermine und Gespräche finden inzwischen virtuell statt, dadurch verringert sich die Reisezeit und das komplette Team arbeitet effizienter.
Kontinuierliche Information und Austausch über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens stärkt das unternehmerische Denken im Team.
Der Wunsch nach Nähe und persönlichem Austausch steigt, je länger das Team virtuell zusammenarbeitet.
Darauf werde ich in der nächsten Zeit vermehrt achten:
Selbstdisziplin leben, denn ein Tag besteht nicht nur aus Videocalls.
Durch den Wegfall von Reisezeit, fallen Zeitfenster zum Nachbearbeiten von Gesprächen weg, so dass Nachbearbeitung als Slot im Kalender eingeplant werden muss.
Bei Lots* tragen alle Verantwortung gegenüber Kolleg*innen und Kund*innen. Trägt das, was wir tun, dazu bei, dass niemand erkrankt und alle gesund bleiben? Diese Frage muss immer mitgedacht und im Zweifel ausdiskutiert werden – im Team und mit Kund*innen.
Führen auf Distanz wird mit oder ohne Corona zur neuen Normalität werden. Führungsverhalten, das bisher auf Kontrolle und Anweisung basiert, wird Änderung oder zumindest eine Erweiterung erfahren. Denn digitale Zusammenarbeit funktioniert – auch wenn ich meine Mitarbeiter*innen nicht sehen kann – durch den Einsatz von geeigneten Methoden sehr gut.
Führen auf Distanz ist für mich vor allen Dingen eine Frage der Haltung. Es geht um das Erreichen von Ergebnissen und nicht um die Frage, wie Mitarbeitende dahin kommen. Gute Kommunikation, klare Regeln und Vertrauen machen Führungskompetenz unter verändernden Arbeitsbedingungen aus.
Das Schaffen von geeigneten Strukturen und das Bereitstellen von notwendigen Ressourcen sind zwingende Voraussetzungen, damit Ihre Mitarbeiter*innen als virtuelles Team gut arbeiten können. Diese Voraussetzungen zu schaffen und auszubauen, wird Führungsaufgabe.
Sich mit dieser Art der Führung vertraut zu machen, trägt aus meiner Sicht dazu bei, dass Sie Produktivität, Zufriedenheit und Identifikation mit der Organisation und ihren Zielen in Ihrem virtuellen Team sicherstellen.
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Erfahrungsberichte, Interviews, Ratgeber: In der Reihe “Digitales Arbeiten – neue Arbeitsmodelle, neue Chancen” teilen Unternehmer*innen, Führungskräfte und Projektleiter*innen ihre persönlichen Erfahrungen und Aha-Momente in der Welt des digitalen Arbeitens.