Den Ausbau von Wasserstoffnetzen mit Stakeholder*innen-Management beschleunigen

03.09.2024 | Von Mareike Wald | Energiewende

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Die Energiewende ist in vollem Gange. Wasserstoff steht als zentraler Energieträger der Zukunft im Mittelpunkt. Als Schlüsselkomponente zur Defossilisierung industrieller Prozesse, die sich nicht einfach elektrifizieren lassen, spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle. Doch trotz seines Potenzials fehlt es derzeit an der notwendigen Infrastruktur für die Produktion, den Import und den Transport von Wasserstoff.

Ein Wasserstoffkernnetz, das bis 2032 durch den Bau und die Umrüstung zahlreicher Pipelines im gesamten Land entstehen soll, ist in Planung. Die Herausforderung besteht darin, diese Projekte fristgerecht umzusetzen, da sie für große und mittelständische Unternehmen, kommunale KWK-Anlagen sowie Teile der Verkehrsinfrastruktur von entscheidender Bedeutung sind.

In diesem Kontext rückt Stakeholder*innen-Management immer mehr in den Fokus. Bei der Entwicklung von Wasserstoffinfrastrukturen müssen verschiedenste Interessen von Vorhabenträger*innen, Genehmigungsbehörden, Politik und Gesellschaft berücksichtigt werden. Wir bei Lots* sind überzeugt: Ein durchdachtes Stakeholder*innen-Management kann hierbei den Weg ebnen, um Projekte ohne Verzögerungen und in einem kooperativen Umfeld voranzutreiben.

Stakeholder*innen-Management – worum geht es?

Stakeholder*innen, wie Zulieferer*innen, politische Akteur*innen, Anwohnende oder Journalist*innen, können durch ihre Unterstützung oder Kritik maßgeblich den Projekterfolg beeinflussen. Daher ist das Hauptziel ein nachhaltiges Gleichgewicht zwischen den Projektinteressen und den Bedürfnissen der Stakeholder*innen zu schaffen.

Der Prozess des Stakeholder*innen-Managements beginnt in der Regel mit einer umfassenden Stakeholder*innen-Analyse in der frühen Projektphase. Durch quantitative und qualitative Forschungsmethoden werden Stakeholder*innen identifiziert, ihre Einstellungen analysiert und bewertet. Diese Analyse bildet die Grundlage für zielgruppengenaue Kommunikationsstrategien, in welcher effektive Maßnahmen definiert werden, die im Laufe des Projekts kontinuierlich angepasst werden.

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Man unterscheidet hierbei zwei Hauptansätze: Beim „organisation-focused“ Ansatz liegt der Schwerpunkt auf der Sicherstellung, dass das Projekt plangemäß durchgeführt wird, indem mögliche Widerstände minimiert werden. Im Gegensatz dazu stellt das „issue-focused“ Multistakeholder*innen-Management das gemeinsame Anliegen aller Beteiligten in den Mittelpunkt und setzt auf kooperative Lösungsfindung. Was bedeutet das für die Praxis?

Stakeholder*innen als Expert*innen und Multiplikator*innen wahrnehmen

Ob Naturschützer*innen, Zuliefer*innen oder Lokalpolitiker*innen: Auch kritische Stakeholder*innen sind Expert*innen auf ihrem jeweiligen Themengebiet – und werden garantiert beim Thema Wasserstoffinfrastruktur ihre Stimme erheben. Sie als solche wahrzunehmen und entsprechend einzubinden, bietet die Chance, auf Spezialwissen zuzugreifen, von dem die Wasserstoffinfrastruktur langfristig profitieren kann. Dies schafft Vertrauen und Akzeptanz.

Die kommunikative Zielsetzung eines „issue-focused“ Multistakeholder*innen-Managements ist es, unter Mitarbeit aller beteiligter Stakeholder*innen, unabhängig von Einfluss und Durchsetzungsmacht, kooperativ eine Kompromisslösung zu erarbeiten. Vorrangig geschieht dies durch regelmäßige Netzwerktreffen und informelle face-to-face Kontakte. Nicht nur die skeptischen Stakeholder*innen werden hier angesprochen, auch die Befürworter*innen eines Projektes werden mit ins Boot geholt, und erweisen sich dabei oftmals als wichtige Expert*innen und positive Multiplikator*innen, da sie ihr eigenes Netzwerk für das Projekt aktivieren können.

Trotz eines deutlich erhöhten Kommunikationsaufwandes liegt der Vorteil eines solches anliegen- oder problemorientierten Multistakeholder*innen-Managements darin, dass gemeinsam erarbeitete Lösungen sich als tragfähiger erweisen und langfristig über eine größere gesellschaftliche Akzeptanz verfügen.

Stakeholder*innen als wichtige Informationsquellen begreifen

Gerade bei großen Infrastrukturprojekten gibt es selten ein zentrales Verzeichnis aller beteiligten Personen und Gruppen. Datenbanken der ausführenden Unternehmen sind, wenn überhaupt, oft veraltet oder unvollständig. Bei Wasserstoffprojekten ist es wichtig, auch bereits identifizierte Stakeholder*innen als Informationsquellen wahrzunehmen.

Die Gruppe der Beteiligten oder Betroffenen ist hier ungleich größer als bei bekannten Infrastrukturprojekten. Denn im Prinzip sind von der Umstellung der Erdgasversorgung von Erdgas aus Wasserstoff alle Bereiche der Volkswirtschaft betroffen – Wärme, Mobilität, Industrie und Gewerbe – und somit auch sehr viele Menschen. Diese Stakeholder*innen ebenfalls nach potenziellen Stakeholder*innen zu befragen, erhöht die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches, ein vollständiges Bild des „Stakeholder*innen-Mosaiks“ eines Projektes zu erhalten.

Fazit

Die Entwicklung eines Wasserstoffkernnetzes in Deutschland erfordert nicht nur technisches Know-how und Ressourcen, sondern vor allem eine durchdachte Stakeholder*innen-Kommunikation. Ein ganzheitliches Stakeholder*innen-Management, das sowohl organisations- als auch anliegenorientierte Ansätze integriert, kann den Weg für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Zukunftstechnologie ebnen. Durch proaktives Handeln, transparente Kommunikation und die Einbindung aller relevanten Akteur*innen können Konflikte vermieden und der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur maßgeblich beschleunigt werden.

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Mareike Wald

Mareike betrachtet die Prozesse und Technologien der Energiewende mit einem umfassenden und konstruktiven Blick für den Dialog, der mit Empathie die Sektoren, Interessen und Menschen mit all Ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit zusammenbringt.

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