Unternehmen der männerdominierten Daseinsvorsorge treten immer wieder an uns heran mit der Frage: Wie gewinnen und halten wir mehr Frauen als Mitarbeiterinnen und Führungskräfte? Wie können wir die Arbeitsbedingungen für die wenigen Frauen in der Kommunalwirtschaft bestmöglich gestalten? Sind unsere Maßnahmen die richtigen und effektivsten?
Als Entscheider*in aus dem Diversitätsmanagement oder der Personalabteilung kennen Sie die klassischen Maßnahmen wie Mentoring, Netzwerke, Teilzeitoptionen, Gehaltstransparenz, Quoten usw. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Aspekt noch nicht genug betrachtet wird: „Antisexismus“ als Instrument, um Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Mitarbeitende in einem diskriminierungssensiblen Umfeld besser, produktiver und gesünder arbeiten können. Und folglich auch lieber bleiben.
Nun klingt der Begriff Antisexismus in den Ohren mancher Menschen ganz schön anti, vielleicht auch zu woke und daher nicht wie das Richtige für ihre Unternehmen der Kommunalwirtschaft. Ich kann solche Gedanken nachvollziehen und habe mich anfangs auch gefragt, wie das zusammengeht. Bestärkt, dass es doch das richtige ist, hat mich nach einem der ersten Antisexismus-Trainings ein Geschäftsführer: „Ich hatte anfangs Bedenken, ob es wirklich notwendig und passend ist, aber das war sinnvoll genutzte Zeit. Das Training ist völlig ohne Belehrung ausgekommen. Ich bin froh, dass wir das in der Organisation für alle Mitarbeitenden angeleiert haben.“
Ich meine also, ja, Antisexismus ist ein Thema für die Daseinsvorsorge! Ich möchte Ihnen gerne in fünf Schritten zeigen, was Sie dabei alles beachten können.
Es gibt verschiedene Anlässe für die Auseinandersetzung mit Sexismus: Entweder entscheidet sich ein Unternehmen, sich dem Thema zu widmen, um proaktiv etwas für Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Hier geht es z.B. um Prävention sexualisierter Gewalt, Abflachung von Hürden und die Frage, was geschlechtergemischte Teams brauchen. Oder es gibt einen konkreten Anlass, z.B. weil es Vorwürfe von sexualisierter Gewalt, Übergriffen oder Sexismus gibt. Dann ist meist schnelles Handeln notwendig. Ich würde immer dafür plädieren, vor die Welle zu kommen und das Thema strategisch zu platzieren, anstatt im Reaktionsmodus handeln zu müssen.
2. Positionierung als ArbeitgeberMir sind mehrmals Bedenken von Entscheider*innen begegnet, wie man dieses heikle Thema angehen soll. Die Befürchtung, dass es negative Presse machen könnte, wenn man ein „Fass“ aufmacht und Sexismus bekannt wird. Hier würde ich aus der wissenschaftlichen Sicht entgegnen: Sexismus gibt es überall, denn es ist eine gesellschaftliche Struktur. Die Arbeitgeber, die sich aktiv damit beschäftigen, handeln verantwortungsvoll. Viele Unternehmen in Deutschland haben sich der Initiative "Stärker als Gewalt" angeschlossen und so ihr Engagement nach außen gezeigt – auch das ein Beleg dafür, dass das Thema in der Arbeitswelt angekommen ist.
3. Sensibilisierung und StärkungIst die Entscheidung getroffen, sich aktiv mit Sexismus auseinanderzusetzen, geht es darum die richtigen Formate und Kommunikationswege zu finden. Hier ist vieles möglich. Wir haben mit obligatorischen Halbtagstrainings gute Erfahrungen gemacht, in denen Führungskräfte und Mitarbeitende lernen, wo Diskriminierung beginnt, wie sie sich zur Wehr setzen oder als Verbündete auftreten können und was unerwünschtes Verhalten am Arbeitsplatz ist. Neben der Sensibilisierung kann es auch richtig sein, ausgewählte Zielgruppen gezielt zu stärken oder zu Multiplikator*innen auszubilden.
4. Beteiligung mitdenkenWie kann man das Thema lebendig halten und ein nachhaltiges Lernen sicherstellen? Von Sexismus Betroffene haben ein Wissen und Gespür, was in ihrem Umfeld falsch läuft. Im besten Fall kommen die Impulse für Antisexismus aus einem Netzwerk selbst, z.B. Frauennetzwerk. Hier werden Positionen erarbeitet, Impulse für das Diversity Management gegeben und Formate entwickelt. Wenn es das noch nicht gibt, fragen Sie nach. Machen Sie eine Fokusgruppe zum Thema und erörtern Sie, was es für Bedarf gibt. Die Personalabteilung kann eine Arbeitsgruppe oder ein Netzwerk anregen und dazu einladen.
5. Formale Strukturen schaffen Beschwerdestelle einrichtenVielfaltsförderung ohne Antidiskriminierung ist nicht nachhaltig. Um für mehr psychologische Sicherheit zu sorgen, ist es wichtig in Diskriminierungsfällen klare Regeln und Verfahren zu definieren, auf die sich Betroffene verlassen können. Ist die Beschwerde- oder Vorschlagsstelle allen zugänglich und bekannt? Hier ist auch die interne Kommunikation gefragt, um Zugänge dazu zu schaffen.
Es gibt 100 Möglichkeiten, wie man das Thema angehen kann. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass es ein organisationaler Veränderungsprozess, bei dem es um Lernen und Verlernen von Vorurteilen und problematischen Verhaltensweisen geht.
Man kann aber auch einiges falsch machen dabei. Nach den Inspirationen, kommen hier meine fünf beliebtesten Fettnäpfchen im Umgang mit Sexismus:
1. Das Problem ignorierenDie Haltung „Bei uns beschwert sich niemand, also haben wir kein Problem“ bitte überprüfen. Sexismus ist grundsätzlich in allen Branchen verbreitet, begünstigt wird das allerdings durch Unterrepräsentation von Frauen sowie traditionelle Berufe, die von Männern dominiert sind. Dazu gehört die Kommunalwirtschaft.
2. Eintagsfliege daraus machenEinen außenwirksamen Beitritt zum Bündnis gegen Sexismus ohne, dass nach innen nachzuhalten ist gelinde gesagt schwierig.
3. Männer vergessenNur auf die Frauen fokussieren. Sexismus ist kein „Frauenthema“, sondern ein Thema der Organisationsentwicklung und braucht damit alle Geschlechter. Ohne einen aktiven Beitrag von männlichen Verbündeten (Allies) kann sich nichts ändern. Zudem sollte nicht die komplette Last der Auseinandersetzung und Betroffenheit bei den Frauen, trans und nicht-binären Personen liegen. Auch hier: faire Arbeitsteilung.
4. Eindimensional denkenBetroffene von Sexismus sind auch andere Geschlechtsidentitäten. Transpersonen und queere Mitarbeitende sind häufiger Sexismus ausgesetzt. Außerdem sind die Erfahrungen von mehrfach diskriminierten Personen nochmal andere. Eine migrantische Frau macht andere Erfahrungen als eine Frau mit deutsch klingendem Namen, weil sich Rassismus und Sexismus miteinander wirken.
5. Antisexismus als rein formales Thema verstehenNatürlich geht es um Rechtssicherheit, um rechtlich verbürgten Schutz vor Diskriminierung laut AGG. Aber Sexismus nur mit formalen, rechtlichen Schritten zu bearbeiten, greift zu kurz. Es handelt sich um ein Veränderungsthema und betrifft die Unternehmenskultur.
Frauenförderung und Gleichstellung hat in der Unternehmenswelt eine lange Tradition. Die Auseinandersetzung unter dem Label Antisexismus ist in der Kommunalwirtschaft manchmal ein neuer, aber wichtiger Schritt. Der Begriff steht für mich im Zusammenhang mit Vielfalt und Antidiskriminerung auch in anderen Diversitätsdimensionen und denkt diese mit. Ich möchte Sie dazu ermutigen, sich dem Thema zu nähern und es in die Personal- und Organisationsentwicklung zu integrieren.
Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich alle gleichermaßen sicher und gesehen fühlen können und alle Mitarbeitenden gleiche Chancen haben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.